#178, Pressekonferenz zur Bundesliga 2021-2 – ZAT 10
Speedy Gonzales, Colonia
Nach Erzählungen über Konkurrenten aus der Bundesliga brennen die Teilnehmer der Pressekonferenz nun darauf etwas über den Alltag von Speedy Gonzales selbst zu erfahren. Die Redaktion entschließt sich kurzerhand, um die Auflage zu erhöhen, selbst in Aktion zu treten und an sich geheime Abläufe eines Arbeitstages von Speedy Gonzales zu veröffentlichen – über einen Tag, aber nicht irgendeinen Tag, es ist der Tag vor dem Saisonfinale ….
Dieser Tag startet wie jeder Tag um die 4:00 Uhr des Morgens. Erste Sonnenstrahlen erblicken den weiten Horizont der Mittelrheinischen Hochebene. Amseln fallen aus ihrem Schlaf und beginnen in den neuen Morgen einzustimmen, eine nach der anderen. 4:45 Uhr. Auch die Meisen und Rotkehlchen sind der Amseln Solo endlich leid geworden und begleiten in zweiter und dritter Stimme. 5 Uhr. Sonnenaufgang. Noch als feuerroter Ball am Abend im Westen versunken, taucht er gehüllt in zartes Gelborange im Osten wieder auf. Nicht nur der Tau an der Gräser Halmspitzen beginnt sich zu verflüchtigen, auch der süße Traum von Ruhm und Ehre, den Speedy mit einem wohlwollenden Lächeln begleitet. Erste Sonnenstrahlen durchfahren der Jalousien Schlitze, zeichnen einen Halbkreis über des Mäuserichs Wangen, bis …., ja, bis zum Augenlid. Ein kurzes Zwinkern, das Schnäuzchen verzogen, Augen auf! „Ah, da ist er ja, der neue Tag. Wie schön. Mal seh‘n was er heute wieder zu bieten hat.“ Ein kaum wahrzunehmendes Gääähn, schon springt Speedy auf und begeht wie jeden Morgen, wenn er gut gelaunt ist, den Morgengruß:
Wärmlich bekleidet, ab nach draußen in die freie Natur, sucht er sich eine leichte Anhöhe, um sich von der großen Welt auch am heutigen neuen Tage einen ersten Überblick zu verschaffen. Ein Kissen reicht aus, um das Schwänzchen nicht zu verkühlen. Darnieder gesetzt, Lotussitz selbstredend, Handflächen nach oben geöffnet auf die Schenkel, Augen geschlossen, der Vögel regen Gezwitschers lauschend, hört er zu, hält selbst die Klappe, der einzige verschwiegene Moment des Tages. Und dann, tief die frischeste Luft des ganzen Tages in nur einem Zug eratmet, bricht er das Schweigen: „Ich grüße dich, du meine Seele erwärmender, erwachender Morgen. Wird Zeit, dass du kommst. Bin nämlich hungrig, und der Käse ist aus. Drum nimm diesen Gruß, und lass mich nach Haus!“
Am Frühstückstisch angekommen, den mitgebrachten griechischen Bergkäse verpinselt, lieblich umspielt, äh, nee, umspült mit einer Tasse griechischen Bergtees, bricht Speedy auf, um sein Tagwerk zu verrichten – seinen Verein Club Deportivo Ratones de Colonia wieder einen Schritt näher zum nächsten Titel zu führen. So schlendert er, wie jeden Tag, zu Fuß die Rheinauen entlang. Ein Rauschen macht sich von linker Seite her bemerkbar, und die Wolken am Himmel fließen dahin wie der Strom des wechselhaften Seins. Der Weg, der ihn bis hierhin geführt hat, ist gepflastert und von Blüten bedeckt. Wo immer er geht, hinterlässt sein Schwänzchen Schleifspuren. Nun kennen seine Augen keine Muße mehr: Er spürt weder die morgendliche Frische, die ihn umschmeichelt, noch das Hupkonzert des Berufsverkehrs, der seine großen Ohren bedrängt. Speedy riecht schon seinen Club. Nun heißt es, den Pfad der Weisheit entlang des Rheines zu verlassen, diverse Siedlungen zu durchqueren bis zum Clubhaus. Da ihm diese Strecke des Weges nicht so behagt, setzt er zum Zwischenspurt an, und schwups, schon steht er vor den Toren des Clubhauses samt angeschlossenem Trainingsgelände.
„Nanu, wer weilt denn da?“ - Speedy hält inne. Seine Assistentin erwartet ihn, wie jeden Tag, aber wer ist denn der kleine Dicke neben ihr?“ – muss sich Speedy gerade fragen. Neugierig wie er ist, eilt er dorthin und schüttelt dem Fremdling eifrig die Hand. „Äffle und Pferdle, Entrenador bei den Freiburger Schwalben, darf ich vorstellen?“ - so seine zauberhafte Mitarbeiterin zu ihrem Mäuserich. „Er ist gekommen, um bei dir ein Praktikum zu machen, verehrter Meister. Deine wundersamen Trainingsmethoden sind ihrem Ruf schon weit vorausgeeilt bis in die tiefste Provinz des Schwarzen Waldes. Er will auch so erfolgreich sein wie du.“ - hebt seine Assistentin schmeichelnd hervor. Meister Gonzales etwas misstrauisch, lauscht seiner Schönen Worte, beäugt den potenziellen Praktikanten, irgendwie erinnert er ihn an jemanden, schüttelt den Kopf. „Nee, lass mal, meine Zeit ist begrenzt, kann mich nicht auch noch mit Ausbildung beschäftigen.“ - weist Meister Gonzales den kugeligen Gesellen schroff zurück. „Aber ich habe Ihnen Käse vom Schwarzwälder Hochplateau mitgebracht“, entgegnet der kleine Dicke schlagfertig. Des Meisters Augen leuchten, die Nasenspitze nimmt an Volumen zu, was immer passiert, wenn ihm ein neuer, noch unbekannter Käseduft in den Riechkolben steigt. „Bueno, so sei dir eine Chance gewährt. Aber du musst dir das Praktikum erst verdienen. Ich stelle dir eine Aufgabe, wenn du sie mit Bravour zu lösen imstande bist, dann darfst du dein Praktikum bei mir antreten.“ Äffle und Pferdle ist begeistert, begleitet seinen Meister ins Clubhaus.
Nasenspitze nach rechts, Nasenspitze nach links, mit dem Zeigefinger geschnäuzt, rechts-links, und schon steht eine neue Idee bereit, die es umzusetzen gilt. Diese Nasenbewegung ist typisch dafür, dass der Meister wieder etwas Narrensicheres ausgeheckt hat, um seinen Verein in der nächsten Abschlusstabelle vor den Verfolgern, und insbesondere vor den Regensburgern platzieren zu können.
Er setzt sich, kramt ein Blatt Papier aus der Schublade hervor und fängt an aus dem Stehgreif zu schreiben. Noch ein Blatt. Und noch ein Blatt. Äffle und Pferdle kann seine Neugier kaum noch zügeln und blickt seinem Meister unauffällig über die Schulter. So kriegt er gerade noch mit, wie der Meister seine zu Papier gebrachte Idee, die sicher wie immer keinem Vergleich mit jeder beliebigen wissenschaftlichen Abhandlung zu scheuen braucht, eigenhändig unterschreibt, . . . . mit einem geschwungenen ‚Speedy Gonzales‘. Und dann wandert der Stift zurück in die Kopfzeile, wo noch ein Titel eiligst hinzugefügt wird - ‚Revolutionäre Trainingsmethoden‘ soll das Werk wohl heißen. Ab in einen Umschlag, zugeklebt, seinem Praktikanten übergeben.
„Senor Äffle und Pferdle, wenn Sie diesen Umschlag unter dem Beifahrersitz des Firmenwagens von Toto, Entrenador von Wattenscheid, deponieren können, und dabei unerkannt bleiben, dann ist Ihnen die Praktikantenstelle sicher.“ - instruiert der Meister seinen Schüler noch, während er ihn zur Türe hinaus begleitet.
Auf dem Parkplatz vor dem kürzlich mit neuem Vereinswappen verzierten Clubhaus der Wattenscheider angekommen, steigt Praktikant in Spe Äffle und Pferdle aus dem Taxi aus, sieht sich um. Seine wuschelige schwarze, dauergewellte Mähne kurz durchgeschüttelt, zieht er seine Sonnenbrille auf. Schuppen in allen erdenklichen Größen rieseln herab. Buntes Gesindel treibt sich hier auf dem Parkplatz herum, staunt er. Wie finde ich denn den Dienstwagen von diesem Entrenador? Da ihm darauf spontan keine Antwort einfällt, beschließt er, sich erst einmal auf die nahe Parkbank zu setzen und in Ruhe einen Überblick zu verschaffen.
Zunächst fällt ihm ein schwarz-weiß bekleidetes Männchen auf, drei große Buchstaben zieren ein Wappen auf dem Rückenteil seiner lederähnlichen Jacke, eines, das um einen gewaltigen Porsche SUV scharwänzelt. Wohl einer von den berüchtigten Wrack-Angels, vermutet Äffle und Pferdle. Nervöse Blicke mal nach links, nach rechts, machen diese Gestalt äußerst verdächtig. Äffle und Pferdle, von der Neugier abermals gepackt, löst hingegen seinen Blick von diesem Männchen, kramt den Umschlag aus seinem Mantel hervor, mustert ihn bedächtig, . . . . „Was mögen da wohl für revolutionäre Trainingsmethoden geschrieben stehen? Und warum soll ich die ausgerechnet des Meisters Konkurrent aushändigen? Da ihm darauf spontan wieder keine Antwort einfällt, beschließt er, diesen Umschlag zu öffnen und das Geheimnis um diese revolutionären Methoden zu lüften. Ritsch-ratsch, und offen ist er.
Mit zitternden Händen zieht er das Dokument heraus und fängt sodann zu lesen an:
„Revolutionärer Trainingsplan:
Schusstraining - Treffen Ihre Spieler nicht, schießen mit wilder Streuung weit links und weit rechts am Tor vorbei, dann stellen Sie im Training einfach zwei Tore auf, das Eine weit links, das andere weit rechts. Die Spieler lernen wieder zu treffen, damit steigt auch ihr Selbstvertrauen. Und den Torwart stellen Sie in die Mitte der beiden Tore.
Spiel ohne Ball - Vernachlässigen Ihre Spieler das Spiel ohne Ball, so nehmen Sie ihnen im Training den Ball einfach weg. Ihren Spielern werden in ihrer Phantasie Spielzüge gelingen, wie sie ihnen auf dem Platz noch nie gelungen sind. Dies hebt ihre Kreativität und zudem ihr Selbstvertrauen.
Spiel mit Ball, Technik, Zweikampf, Zusammenhalt - Sind ihre Spieler technisch unbemittelt und zweikampfschwach, so geben Sie im Training jedem Einzelnen einen Ball. Damit hören die Streitigkeiten auf, Sie fördern den Zusammenhalt, sie verlieren keinen Zweikampf mehr, und dies hebt ihr Selbstvertrauen ....“
Äffle und Pferdle ist begeistert, jedes einzelne Wort hat sich in sein Gedächtnis gefräst. Schon heute scheint sich sein Praktikantendasein in Spe bezahlt gemacht zu haben, so seine Überzeugung. Und sein Verein würde endlich um die Meisterschaft mitspielen.
Schnief, schnief, schnüffel, schnüffel. „Was stinkt denn das hier so nach Fisch?“ - ekelt sich Äffle und Pferdle, aus jeglichen Erfolgsträumen gerissen. Blickt unauffällig in Richtung des Gestankes über seine Schulter, erahnt, dass sich ihm das Leder bekleidete Männchen, dass vorhin noch den Porsche stolz gewürdigt hat, durch das Gebüsch mit leisen Fußstapfen nähert. Allmählich wird Äffle und Pferdle das zu unheimlich. Steht auf, geht zurück auf den Parkplatz, macht Krawall. „Welchem Proll gehört denn dieser bescheuerte SUV hier?“ - schimpft er. „Verbraucht bestimmt seine 16 Liter auf 10 km. Was für eine Ökoschleuder!“ – fügt er an. Eine Stimme aus Richtung Parkbank entgegnet: „Das ist dem Toto, Entrenador von Wattenscheid, seine Ökoschleuder!“ Äffle und Pferdle hat gehört, was er hören wollte, sucht die Toilette des Clubhauses auf und erleichtert sich.
Eine geschlagene halbe Stunde (des Erleichterns) später steht er wieder auf dem Parkplatz, leer, kein Gesindel, niemand. Welch ein Stratege, dieser Äffle und Pferdle. Er fühlt sich nun unbeobachtet, öffnet gekonnt mit einem eigens dafür geformten Draht die Beifahrertür des Porsches. Beugt sich halb über den Sitz und deponiert wie ihm befohlen nunmehr nur das Dokument, ohne den zerrissenen Umschlag, und zwar so unter den Sitz, dass die Eselsohren noch bequem von der Fahrerseite aus zu sehen sind. Ächzend robbt er sich wieder zurück, schließt die Türe leise und eilt davon. Aus sicherer Entfernung blickt er noch einmal zurück, sieht das rundliche in Leder gehüllte Männchen wieder vor dem Porsche herumschleichen. . . . Tausend Fragen martern Äffle und Pferdles‘ kleines dickes, mit Löckchen umwuchertes Köpfchen, auf die er wieder keine Antworten findet, und setzt seinen Rückzug fort.
Noch vor der Mittagsstunde erreicht er das Clubhaus, wo sein Meister schon auf seinen Bericht wartet. „Und?“ - empfängt ihn der Meister ungeduldig, „Auftrag erledigt?“ „Claro que si, Jefe!“ - so stolz der Bote. „Irgendetwas Ungewöhnliches vorgefallen?“ - entgegnet der Meister voller Misstrauen. Äffle und Pferdle überlegt kurz, dann die Antwort: „Nö, nicht das ich wüsste. Ich habe Ihren Umschlag in den schnieken Porsche unter den Fahrersitz gelegt und bin dann abgezogen. Gesehen hat mich niemand.“ „Wie bitte? In den Porsche? Der gehört doch dem Toto. Hab ich nicht Lada gesagt, in den Dienstwagen von Mattao?“ - so der Meister entsetzt. „Nee, haben Sie nicht!“ - Äffle und Pferdle keck zurück. Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, die Falle schnappt zu und des Meisters Plan geht auf: „Widersprechen Sie mir nicht, Sie sind gefeuert!“
Äffle und Pferdle ist enttäuscht. Hoffte er doch endlich mal durch eines Meisters Hand das Know-how für einen Titelgewinn in Deutschland zu erhaschen, ging der Schuss nach hinten los: „Erst einen gefährlichen Auftrag ausgeführt, dann keinen Lohn dafür bekommen. Und den Käse hat er auch noch behalten, dieser raffinierte Raffzahn. Aber wenigstens hatte ich Einblick in seine wissenschaftlichen Trainingsmethoden.“ Und mit diesen Worten macht er sich wieder auf zum Flughafen. „Ich könnte jetzt was gebrauchen“, so Äffle und Pferdle nervös. Greift in seine linke Manteltasche, fühlt und fühlt.... „Ja, verflixt noch mal, wo ist denn mein Tütchen mit dem leckeren weißen Pulver hin? Heut Morgen hatte ich das doch noch ....“ Ein Schaudern überfällt ihn, als er sich noch einmal vergegenwärtigt, wie er sich vorhin über den Beifahrersitz des schnieken Porsches gebeugt hat ....
Derweil fordert Meister Gonzales seine Assistentin im Clubhaus zum Tänzchen auf. Ein schöner Tag, sagt er sich, wenn diese Trainingsunterlagen in die richtigen Hände gelangen. „Bin schon ein raffiniertes Kerlchen“, redet er sich ein. „Toto wird die Unterlagen finden, diese für geschriebenes Gesetz halten, zumal sie doch von Meinergröße unterzeichnet sind, den Inhalt umsetzen und mit seinem Verein abschmieren – ein Konkurrent um den Titel weniger. Bin ICH ein raffiniertes Kerlchen“, wiederholt er.
Der schöne Tag ist zwar noch nicht zu Ende, dafür aber diese Erzählung. Denn getoppt kann diese gelungene Aktion heute wohl nicht mehr werden.
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