Stand dieses Artikels: August 2023 (Anm. d. Red)
#265, Trainerakademie für die Bundesliga 2022-3 – ZAT 7
Speedy Gonzales, Colonia
Den Lehrstoff bislang nicht erfolgreich vermittelt zieht Prof El Grande seinen letzten Trumpf aus dem Ärmel: Nicht vorlesen sondern diskutieren. Und so stellt er eine Frage in den Raum, zu der seine Kandidaten Stellung beziehen sollen, einer nach dem anderen.
Prof El Grande: „Wollt ihr international geachtet werden?“
Kiwi (ihm ist als Last Man Standing der vergangenen Saison immer noch nach Feiern zumute, stellt aber seine Bierflasche zur Seite, hat die bedenkliche Lage erkannt): „Natürlich will ich das. Das Problem: Ich halte die deutsche Fahne hoch, aber keiner folgt mir.“
Prof El Grande: „Und was sagen die anderen?“ (blickt durch die Reihen) „Señor Gonzales?“
Gonzales: „Genau so erging es Meinerwenigkeit in den vergangenen Saisons: Bspw. 2022-1 im CL-Achtelfinale, und keine Unterstützung aus der BL….“
Toto (fällt ins Wort): „Mir auch. Gleiche Saison, EL Achtelfinale, und wo war die Bundesliga? Ich als Einzelkämpfer konnte da wenig ausrichten.“
Prof El Grande (reibt sich die Hände vor Begeisterung, fährt planmäßig fort): „Und habt ihr so eine Ahnung, woran das liegt?“
Periodista (als Wächter über die Statistischen Daten bei CDC): „Wenn ich mir allein anschaue wie viele Engländer sich beispielsweise bis in die KO-Runden der beiden Wettbewerbe in der Saison 2022-2 durchschlagen, kann ich mir schon denken woran das liegt. Sie können all ihre Energie raushauen, einer wird schon durchkommen, manchmal auch zwei oder gar mehr. Die Masse ist ausschlaggebend.“
Prof El Grande: „So ist es. Als Einzelkämpfer ist man leicht Opfer der Nationen, die mehr Vereine in die KO-Runde gebracht haben. Ein Aufeinandertreffen gleicher Nationen ist in den ersten KO-Runden ausgeschlossen. Und darin liegt die Lösung.“
Funger: „Engländer sind die Lösung?“
Prof El Grande: „Zumindest ein Teil der Lösung.“
Äffle und Pferdle: „Einfach eliminieren, wo immer sie auftauchen? In den Gruppenspielen abschießen, koste es was es wolle? Wäre das der Weg?“
Prof El Grande: „So nicht, meine Herren. Nein. Der Witz ist: Machen Sie es einfach wie die Engländer! Schauen Sie sich an wie sie die Gruppenspiele überstehen, und überbevölkern Sie die KO-Runden so weit wie es geht. EINER KOMMT IMMER DURCH!“
Gonzales (fügt warnend hinzu): „Und das Übelste überhaupt vermeiden: NMRs!!!!“
Prof El Grande: „Guter Punkt. Einer der Schlüssel zum Erfolg ist NMRs zu vermeiden.“
Gonzales: „Eso es. Meine Devise: Urlaubszüge für sämtliche Gruppenspieltage gleich mit dem ersten ZAT ausfüllen, das verhindert NMRs! Korrigieren kann man später immer noch.“
Prof El Grande: „Ziemlich gewitzt der Kleine.“
Alle schauen sich zu Gonzales um, ein großer Sombrero ragt über die Tischkante. Darunter muss er wohl sein, der Stimme nach zu verorten, aber nur zu sehen ist er nicht.
wilo: „Sach ma, werter Señor Gonzales, bevor Sie bei Colonia unterschrieben haben, verbrachten Sie nicht selbst drei Saisons bei den Engländern in deren Premier League? Und gelangten Sie mit Ihrem Verein aus Ipswich nicht 2x ins CL-Halbfinale? Können Sie uns nicht ein paar Tipps geben wie die Engländer sowas anstellen?“
Prof El Grande (zieht sich zurück, seine Taktik geht auf, die Diskussionsrunde ist zum Selbstläufer geworden): „..“
Kiwi: „Genau, Señor Gonzales, wie machen die das? Was ist dort anders als hier?“
Gonzales (kommt ins Plaudern): „Es gibt sehr viele Unterschiede zwischen Premier League und Bundesliga. Im Kollektiv trägt jeder einzelne dazu bei, dass England in der UEFA-Wertung Stand August diesen Jahres mit 61, 634 Punkten auf Platz 1 steht und 9 Teilnehmer für die vergangene Europapokalsaison 2022-1 gestellt hat. Deutschland als Verband von Einzelkämpfern hingegen findet sich auf Platz 16 von 19 (!) wieder, lediglich 33,714 Punkte kommen zusammen und nur 6 reguläre Teilnehmer dürfen gestellt werden, von der Fairplay-Wertung mal abgesehen. Noch zwei Plätze weiter durchrutschen bedeutet, dass alle EL-Qualifikanten aus der BL in die erste Qualifikationsrunde müssen, und analog der Vizemeister in der CL-Qualifikationsrunde 1 startet. Und je mehr Runden vor der KO-Runde anstehen, desto schwerer wird der Weg in diese finale KO-Runde werden. Schon jetzt qualifiziert sich der Deutsche Meister nicht mehr direkt für die Hauptrunde, nein, er muss durch das Nadelöhr der Qualifikationsrunde 2.“
Funger (neugierig, denn es ist seine erste EC-Saison, er will sich teuer verkaufen): „Was meinen Sie mit dem Kollektiv der Engländer genau?“
Gonzales: „Ein Blick ins Forum genügt. Die Engländer halten zusammen. Und reden miteinander, tauschen sich über EC-Erfahrungen aus. Analysieren teils vergangene Spielzüge und nehmen sie prognostizierend auch mal vorweg. Sie bilden sich dort weiter. Im Forum findet man Stand August im englischen Bereich 71 Themen, im deutschen immerhin 47, aber 13 Tsd. Beiträge dort, hier lediglich 3 Tsd. Es gibt sogar einen englischen Thread, der sich allein mit dem EC befasst, nennt sich ‘England im EC,‘ begonnen 2007, mit seither 1.472 Antworten bei 280.922 (!) Zugriffen. Der Zusammenhalt geht sogar soweit, dass sich ein Mitspieler zuletzt dafür entschuldigt hat, dass er die KO-Runde nicht erreichen konnte, wo er seine Kollegen hätte unterstützen sollen. Prompt erhielt er eine Analyse seiner fehlerhaften Gruppenspieltaktik.“
Periodista: „Dafür müssten sich die Bundesligavertreter wenigstens mal einen Account im neuen Forum anlegen….“
Gonzales: „Si, eso es. Bislang sind nur zwei Bundesligavertreter im Forum aktiv, El Señor Ligaleiter Polish-Oracle und naturalmente Meinewenigkeit. Recht karg, diese Quote.“
Toto (fällt die Kinnlade herunter): „Bei den Engländern kommt wohl ein NMR nicht vor, oder?“
Gonzales: „Kann mich nicht erinnern, dass zu meiner Zeit dort einer vorkam. Es wäre auch nicht auszudenken, welchen Kommentaren der NMRler ausgesetzt wäre, wenn er dies zu rechtfertigen hätte.“
Äffle und Pferdle: „Vermutlich ein Shitstorm ohnegleichen.“
Funger (wird kreativ): „Möglicherweise bekommt er die Quittung dafür im Ligaalltag zu spüren. Schießen sie ihn dort ab, stellen sie sicher, dass er in der Folgesaison nicht mehr die englischen Farben vertreten kann. Ein Selbstreinigungsprozess würde somit in Gang gesetzt.“
Gonzales: „Ein harter Garten, der Englische.“
Äffle und Pferdle: „Haben die Engländer mehr TK zu Verfügung?
Gonzales: „Eso es. Es vergeht kein ZAT ohne einen Bonus bringenden Zeitungsartikel. Auch in diesem Punkt sind uns die Engländer überlegen. Vergegenwärtige ich mir aber die nahe Vergangenheit, so ist die BL schon auf einem guten Weg.“
wilo: „Tippen die Engländer einfach schlauer als wir?“
Gonzales: „Kann man so nicht sagen. Sie analysieren ihre Gegner genauer und ziehen aus dem Schatz längerer Erfahrung ihre speziellen Schlüsse daraus. Die schießen ihre Tore nicht aus dem Bauch heraus, wissen genau, was sie da tun.“
Funger: „Kann man das irgendwo üben?“
Gonzales: „Sehr guter Punkt, Señor Funger. Der AlpenCup wäre so eine Spielwiese, wo internationale Pokaltaktik geübt werden kann. Auf BL-Seite sind es stets die gleichen, die teilnehmen. Scheint bei den Kollegen wenig Anklang zu finden. Auch die bevorstehende WM könnte sich als Spielwiese erweisen. Soweit ich das überschauen kann, gibt es aus der BL dort bislang nur einen einzigen Teilnehmer – Meinewenigkeit selbst. Es hat sich nicht einmal ein einziger Mitspieler dazu hinreißen lassen unsere deutsche Liga bei der WM vertreten zu wollen. Nun macht das aus Mangel an Bereitwilligkeit …. ausgerechnet ein Engländer …. Meinewenigkeit selbst startet selbstverständlich für mein Heimatland.“
Periodista (mischt sich ein, lenkt die Diskussion in eine andere Richtung): „Im CL-Achtelfinale 2022-1 befanden sich 2 von 4 Engländern, ein weiterer scheiterte knapp in der letzten Gruppenphase. Zudem 2 Belgier und 3 Spanier. Ein großer Vorteil für die jeweilige Nation. In der Saison davor waren es 3 Engländer, und je 2 Spanier, Belgier und Niederländer. Die Nationen-Konzentration ist schon beeindruckend.“
Gonzales: „Und wenn einer bis zum Finale durchkommt und siegt, dann hat die jeweilige Nation mit dem Titelverteidiger in der folgenden Saison noch ein Startplatz mehr zu Verfügung. Je weiter die Einzelnen einer Nation kommen, desto mehr Punkte in der UEFA-Wertung und mehr Startplätze im Wettbewerb. Das ist der Weg: Zuerst weit kommen, für mehr Startplätze sorgen, dann kommen noch mehr noch weiter, und dann kann man sich gegenseitig zum Titel pushen und die Konkurrenz soweit aus dem Weg räumen wie möglich bzw. den nationalen Kollegen den Rücken freihalten. Es hat mal eine Saison gegeben, da haben die Engländer sogar 2 Teilnehmer ins Halbfinale der CL bringen können, in der darauffolgenden Saison stellten sie insgesamt 10 Teilnehmer im Europacup, während andere Nationen mit 6 oder 7 vertreten waren. Erfolg potenziert sich, und zwar schneller als man glaubt.“
Kiwi: „Ganz fein, diese Taktik. So machen wir es ab jetzt auch!“
Funger: „Keine Einzelkämpfer mehr!“
Äffle und Pferdle: „Wir sitzen alle auf dem selben Sattel.“
wilo: „Die Chemie muss stimmen! Einer für alle, alle für einen!“
Toto: „Auf sie mit Gebrüll!“
Gonzales: „Und merkt euch die Termine! An jedem Dienstag ist ZAT….“
Periodista: „Und wie lautet ab heute der neue Schlachtruf der Bundesliga-EC-Teilnehmer?“
wilo, Toto, Funger, Äffle und Pferdle, Kiwi und Gonzales (im Chor): „EINE RUNDE WEITERKOMMEN!!!!“
So hat sich Prof El Grande das Finale Grande vorgestellt. Als Nachweis für den erfolgreichen Abschluss dieses Seminars erhalten alle geladenen Teilnehmer den Fußballlehrerschein International ausgehändigt. Sie dürfen damit erhobenen Hauptes die deutschen Farben im Europapokal vertreten (selbst wenn dieser krönende Abschluss mit fruchtbaren Erkenntnissen für einige in dieser laufenden Saison offenbar zu spät kommt).
Auch Gonzales nimmt dieses Dokument entgegen und begibt sich nun wie vor Saisonstart angekündigt auf eine längere Reise auf der Suche nach dem Weg ….
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